Derzeit erleben wir fast grenzenloses Engagement: Menschen helfen begeistert anderen Menschen. Verbindend ist der gemeinsame Feind namens Corona. Alle stehen näher beieinander. Alle wollen sich ein bisschen näher in dieser Krise sein, auch wenn man gerade mal den Sicherheitsabstand von 1,5 Metern einhalten muss. Wir sind ja scheinbar schon dem Paradiese nahe, wenn selbst Zeitungs- und Werbeausträger von Häuslebesitzern nicht mehr angepöbelt werden, sondern mit einem freundlichen „Hallo“ begrüßt werden. Die Krise scheint uns empathischer, scheint uns zugänglicher für Mitmenschlichkeit zu machen: Junge helfen Alten, Starke schützen Schwache. Ein übles Virus scheint das Gute aus der Menschheit herauszukehren.
Doch leider ist zu befürchten, dass es ein Zurück ins Zurück geben wird. Alte Menschen werden in den überfüllten Pflegeheimen wieder vergessen, die Schwachen unserer Gesellschaft wieder von einer gnadenlosen Stress- und Leistungsgesellschaft in die dunkle Schmollecke gedrängt, damit sie bloß keiner sieht. Denn der gemeinsame Feind wird fort sein. Denn das gemeinsame Ziel, dem Virus die Stirn zu bieten, ist erledigt. Und wenn alles erledigt ist, macht man einen Haken dran und macht dort weiter, wo man zuvor aufgehört hat.
Muss das so sein? Muss es zwangsläufig ein Zurück ins Zurück geben? Oder gibt es die Möglichkeit, dass durch Corona etwas angestoßen worden ist? Ein einfaches Zurück in ein ruhiges, behagliches Zurück, so wie wir es kannten, wird es wohl nicht geben. Wenn aus Zukunft nur Angst wird, weil man neuen Ideen lieber keinen Raum lässt, da man mit der Rekonstruktion des Alten scheinbar auf Nummer sicher geht, so wird es sicher ein Zurück ins Zurück sein. Wieso also nicht die Chance nutzen, um etwas Grundlegendes in dieser Menschheit zu ändern und Dinge beizubehalten, die wir zurzeit gewonnen haben. Die Vergangenheit, so wie wir sie liebten, wird es ohnehin so nicht mehr geben.
DagroLe 3.4.2020